Videokatalog

Video-Player wird geladen.
Aktueller Zeitpunkt 0:00
Dauer 41:14
Geladen: 0.24%
Streamtyp LIVE
Verbleibende Zeit 41:14
 
1x
  • Beschreibungen aus, ausgewählt
  • default, ausgewählt
1646 Aufrufe
25.04.2022

Religiöse Architekturen als Spiegel und Gestalter pluraler Stadtgesellschaften

Mehr

Links

Zitat2Go

  • 00:00:00
    Liebe Studierende, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen
  • 00:00:06
    und Herren. Ich begrüße Sie ganz herzlich zur Ringvorlesung,
  • 00:00:11
    religiöse Architekturen in säkularen Stadtgesellschaften. Mein Name ist Anna Körs,
  • 00:00:18
    ich bin wissenschaftliche Geschäftsführerin und Vizedirektorin der Akademie der Weltreligion,
  • 00:00:24
    der Universität Hamburg und begrüße Sie ebenso im Namen des Direktors professorisches Eppe Weltri.
  • 00:00:32
    Diese Ringvorlesung ist eine Kooperationsveranstaltung der Akademie mit dem Institut für
  • 00:00:40
    die Geschichte der Deutschen Juden und den dort tätigen Kolleginnen,
  • 00:00:45
    Dr. Karin Körber und Alexandra Doktor Alexandra Klei,
  • 00:00:52
    die sie beide in den folgenden Veranstaltungen hier an dieser Stelle
  • 00:00:56
    sicher auch noch sehen und kennenlernen werden.
  • 00:01:00
    Ich werde heute mit meinem Vortrag den Auftakt machen
  • 00:01:05
    und möchte vorab nur kurz ein paar allgemeine Anmerkungen machen.
  • 00:01:09
    Diese Ringvorlesung findet bekanntlich nochmals als digitale Ringvorlesung statt.
  • 00:01:15
    Wir hätten sie natürlich gerne als Präsenzveranstaltung angeboten,
  • 00:01:18
    was aber zum Zeitpunkt der Planung noch zu unsicher schien und nicht angeraten war.
  • 00:01:24
    Andererseits ermöglicht es vielleicht der einen oder dem anderen,
  • 00:01:28
    sich hier zuzuschalten, auch wenn sie hier nicht vor Ort sind.
  • 00:01:32
    Und es ermöglichte, uns auch Referierende etwa aus München oder
  • 00:01:36
    auch den USA zu gewinnen, was ansonsten schwieriger gewesen wäre.
  • 00:01:41
    Insofern freuen wir uns genauso auf eine digitale Ringvorlesung und hoffen Sie
  • 00:01:45
    im nächsten Semester dann auch wieder hier vor Ort in Hamburg begrüßen zu können.
  • 00:01:50
    Die Ringvorlesung besteht aus sechs Terminen und Sie sehen hier eingeblendet,
  • 00:01:56
    das Programm aus dem allgemeinen Vorlesungsverzeichnis,
  • 00:02:00
    dass Sie auch auf unserer Webseite finden, Studierende auch in Stine,
  • 00:02:04
    die mit ihrer Teilnahme hier auch einen Leistungspunkt erwerben können.
  • 00:02:08
    Die Vorträge der Ringvorlesung werden aufgezeichnet und dokumentiert auf der Medienplattform der Universität Hamburg.
  • 00:02:15
    Dort können Sie sich die Vorträge dann auch später noch als
  • 00:02:18
    Lecture to go ansehen. Diese erste Veranstaltung,
  • 00:02:24
    heute sehen Sie aus Termingründen ausnahmsweise als Aufzeichnung die weiteren Veranstaltungen werden ebenso digital,
  • 00:02:33
    dann aber live stattfinden,
  • 00:02:35
    sodass es im Anschluss an den Vortrag auch Gelegenheit gibt für
  • 00:02:39
    Fragen,
  • 00:02:40
    Anmerkungen und Austausch
  • 00:02:42
    Dazu wird ein Link zu einem Webinar verschickt werden,
  • 00:02:46
    den sie dann rechtzeitig per Mail bekommen, wenn sie sich angemeldet haben.
  • 00:02:52
    Heute wird es also kein Diskussionsteil geben,
  • 00:02:55
    aber sie können mir gerne Rückmeldung fragen,
  • 00:02:57
    Anmerkungen schicken an meine E-Mail-Adresse,
  • 00:02:59
    die werde ich am Ende einblenden und wir werden uns hier sicher auch wiedersehen,
  • 00:03:04
    sodass auch später Austausch möglich sein wird,
  • 00:03:07
    zumal ich in meinem Vortrag hier Dinge sicher antippen werde,
  • 00:03:11
    die dann in den Folgeveranstaltungen auch
  • 00:03:14
    noch weiter thematisiert werden
  • 00:03:17
    Schließlich möchte ich noch Dank aussprechen. Zunächst natürlich Ihnen für
  • 00:03:20
    Ihr Interesse und Ihre Teilnahme danken möchte ich den Kooperationspartnerin Karin Körber
  • 00:03:26
    und Alexandra Kley und allen weiteren Beteiligten beide Einrichtungen, die hierran organisatorisch mitwirken.
  • 00:03:34
    Ebenso Herrn Erfle vom Medienzentrum für die Technik und Aufzeichnung.
  • 00:03:38
    Besonders danken möchte ich auch der Udo-Keller-Stiftung-Forum Humanum, die diese,
  • 00:03:44
    wie auch viele vorherige Ringvorlesungen finanziell fördert und schließlich dank bereits vorab auch an die referierenden,
  • 00:03:53
    mit denen wir in den kommenden Wochen über die verschiedenen religiösen Architekturen,
  • 00:03:58
    Synagogen, Kirchen, Moscheen, Inter und multireligiöse Räume ins Gespräch kommen werden wird und worauf ich sehr gespannt bin.
  • 00:04:08
    Damit bin ich beim Thema und ich komme zu meinem Vortrag mit
  • 00:04:17
    dem Titel Religiöse Architekturen als Spiegel und Gestalter, pluraler Gesellschaften.
  • 00:04:27
    Ich werde hierzu in der Einleitung kurz eingehen auf gegenwärtige religiöse
  • 00:04:35
    Entwicklung in einerseits und den daraus resultierenden räumlichen Dynamiken im religiösen Feld, andererseits.
  • 00:04:45
    Von dort aus werde ich eine These formulieren,
  • 00:04:48
    die dann leitend sein wird für meine Perspektive auf religiöse Architekturen.
  • 00:04:53
    Und zwar im Kern, dass religiöse Architekturen nicht nur Spiegel,
  • 00:04:58
    sondern auch Gestalter pluraler Gesellschaften sind und dabei das Materielle eine wichtige Rolle spielt.
  • 00:05:06
    Diese These werde ich dann im Hauptteil versuchen,
  • 00:05:09
    auch empirisch zu belegen und werde Einblicke geben zu drei unterschiedlichen Raumtypen und zwar zu Citykirchen,
  • 00:05:18
    zu einer Kirchenmorschee, Umnutzung und zu einem sogenannten Haus der Religionen.
  • 00:05:24
    Und drittens werde ich diese drei Raumtypen versuchen zu systematisieren,
  • 00:05:29
    im Hinblick auf meine zentrale Fragestellung, nämlich wie wirken religiöse Architekturen in pluralen Stadtgesellschaften.
  • 00:05:42
    Wenn wir uns nun die Entwicklungen auf dem religiösen Feld der
  • 00:05:48
    letzten Jahrzehnte anschauen, dann hat, hier einmal plakativ dargestellt,
  • 00:05:52
    ein erheblicher Wandel stattgefunden
  • 00:05:55
    So gehörten im Jahr 1950 hier links zu sehen,
  • 00:06:00
    noch 96 Prozent der Bevölkerung,
  • 00:06:02
    einer der beiden großen christlichen Kirchen an und nur 4 Prozent waren
  • 00:06:06
    entweder ohne Konfession oder gehörten einer anderen Konfession oder Religion an.
  • 00:06:13
    Im Jahr 2010 rechts zu sehen ist der Anteil der evangelischen oder katholischen
  • 00:06:18
    Bevölkerung auf rund 60 Prozent gesunken, wohingegen der Rest,
  • 00:06:23
    der ehemals 4 Prozent sich auf einen Anteil von 40 Prozent verzehnfacht hat.
  • 00:06:30
    Davon 30 Prozent ohne Religionszögerigkeit und 10 Prozent mit einer
  • 00:06:35
    anderen Konfession oder Religion
  • 00:06:38
    Diese Daten sind nicht mehr ganz aktuell,
  • 00:06:40
    schreiben sich aber im Prinzip fort, laut Kirchen, eigenen Prognosen,
  • 00:06:45
    werden die beiden großen christlichen Kirchen bis 2060 nochmals fast die
  • 00:06:49
    Hälfte ihrer Mitglieder verlieren und der Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung würde dann auf 29 Prozent sinken.
  • 00:06:59
    Wohingegen der Anteil etwa der Muslime inzwischen auf sechs bis sieben Prozent gestiegen ist.
  • 00:07:08
    Der Religionssoziologe Peter Berger spricht angesichts dieser parallelen Prozesse der Säkularisierung einerseits und der Pluralisierung andererseits von zwei Pluralisten,
  • 00:07:18
    oder wie ich es hier nenne, einer doppelten Pluralisierung,
  • 00:07:22
    die dazu führt, und das ist mein Ausgangspunkt,
  • 00:07:25
    das ist ein zunehmenden Bedarf der Gestaltung, der Aushandlung,
  • 00:07:30
    der Regulierung gibt, und zwar bezüglich der Beziehungen zwischen den Religionen,
  • 00:07:36
    wie auch Zwischenreligionen und Gesellschaft.
  • 00:07:41
    Wenn wir uns nun die räumlichen Entwicklungen des religiösen Feldes anschauen,
  • 00:07:48
    lassen sich mindestens drei Entwicklungen beobachten
  • 00:07:52
    Erstens prägen, Kirchengebäude seit Jahrhunderten, vieler Orts,
  • 00:07:57
    das Stadtbild, wie hier etwa die Kirchtürme in Hamburg und
  • 00:08:01
    gleichzeitig stehen die beiden großen christlichen Kirchen zunehmend vor der Herausforderung,
  • 00:08:06
    dass sie über mehr Gebäude verfügen,
  • 00:08:08
    als sie mit Leben füllen können.
  • 00:08:10
    Die Kirchen reagieren auf diese Prozesse der Säkularisierung einerseits durch Kirchenummnutzungen und Schließungen,
  • 00:08:18
    andererseits aber auch durch den Erhalt ihres symbolischen Kapitals.
  • 00:08:23
    Eine Strategie hierzu ist etwa die Reinszenierung ihrer Innenstadtkirchen Eis,
  • 00:08:29
    sogenannte Citykirchen, die programmatisch ihre Türen und Räume öffnen für BesucherInnen,
  • 00:08:36
    auch jenseits des Gemeindelebens.
  • 00:08:39
    Diese Citykirchen sind mein erster empirischer Fall,
  • 00:08:42
    auf den ich dann im zweiten Teil noch zu sprechen komme.
  • 00:08:46
    Zweitens entstehen durch die Pluralisierung zunehmend Räume auch nicht christlicher Minderheitsreligionen,
  • 00:08:55
    wie insbesondere Moscheen, aber auch Tempel, Goodvaras,
  • 00:08:58
    Chemhäuser und andere monoreligiöse Räume.
  • 00:09:03
    Im Zentrum des öffentlichen Bewusstseins stehen dabei zumeist repräsentative Neubauten oder
  • 00:09:11
    auch Wiederaufaufbauten, wie aktuell etwa die Bornplatz-Synagoge in Hamburg.
  • 00:09:17
    Faktisch handelt es sich allerdings bei den Gebetsräumen nicht christlicher Minderheiten zum allergrößten Teil,
  • 00:09:24
    um umfunktionierte Zweckräume wie Fabriken, Lager, Sporthallen,
  • 00:09:28
    Wohnhäuser, Tiefgaragen und so weiter.
  • 00:09:32
    So sind von den bundesweit 2020 Moscheen in Deutschland
  • 00:09:37
    beispielsweise nur zwölf Prozent überhaupt als solche erkennbar.
  • 00:09:42
    Für nicht-christliche Religionsgemeinschaften stellt sich somit das Verhältnis von Präsenz und
  • 00:09:47
    Repräsentation in umgekehrter Weise dar
  • 00:09:51
    Sie sind wesentlich präsenter, als sie im öffentlichen Raum sichtbar
  • 00:09:54
    und wahrnehmbar sind. Wenn wir bei diesen monoreligiösen Räumen,
  • 00:10:01
    also zwei gewissermaßen Gegenläufige Entwicklungen sehen, entstehen daneben,
  • 00:10:07
    drittens, zunehmend Inter- und multireligöse Räume. Einen speziellen Fall,
  • 00:10:14
    und dies ist mein zweiter, empirischer Fall,
  • 00:10:16
    stellt hierzu die Umnutzung einer Kirche in eine Moschee dar,
  • 00:10:20
    hier unten links zu sehen,
  • 00:10:23
    die interessanterweise als interreligiöser Raum gedeutet wurde
  • 00:10:27
    Daneben entstehen Hinter- oder multireligiöse Räume mit synchroner,
  • 00:10:33
    also gleichzeitiger Nutzung, verschiedene Religionsgemeinschaften. Bekannt sind Räume der Stille
  • 00:10:39
    innerhalb von öffentlichen Gebäuden wie Universitäten, Krankenhäusern oder Flughäfen.
  • 00:10:45
    Ein relativ neues Phänomen sind dagegen öffentlich sichtbare, interreligiöse Räume,
  • 00:10:51
    wie etwa gärtende Religionen, die in Köln oder auch anderen Städten entstanden sind.
  • 00:10:57
    Und zu beobachten ist schließlich, und dies ist mein dritter,
  • 00:11:01
    empirischer Fall, neuer Typus, religiöser Räume, und zwar ein interreligiöser Sakralbau,
  • 00:11:07
    wie er etwa in Berlin mit dem geplanten House of One entsteht.
  • 00:11:12
    Geschaffen werden soll damit eine Kirche,
  • 00:11:14
    eine Synagoge und eine Moschee unter einem Dach,
  • 00:11:17
    um dadurch Dialog und Toleranz zu fördern.
  • 00:11:22
    Deutlich wird gesellschaftliche Prozesse der religiösen Pluralisierung und Säkularisierung materialisieren sich
  • 00:11:28
    im Raum und religiöse Architekturen sind somit Ausdruck und Spiegel
  • 00:11:34
    der Sozialen und machen diese Entwicklungen sichtbar
  • 00:11:39
    Dabei kann das bauliche, dem Sozialen zeitlich hinterherhinken,
  • 00:11:44
    wenn einerseits Kirchen leer stehen, andererseits der wachsende Anteil,
  • 00:11:48
    religiöser Minderheiten, baulich kaum sichtbar wird.
  • 00:11:52
    Oder das bauliche kann auch in die Zukunft verweisen,
  • 00:11:56
    wenn etwa Häuser der Religion als architektonischer Ausdruck und zugleich Visionen
  • 00:12:02
    einer pluralen Gesellschaft gebaut werden.
  • 00:12:06
    Meine These ist nun, dass diese religiösen Architekturen insofern
  • 00:12:14
    einerseits Spiegel des Sozialen sind und die Transformation des religiösen Feldes
  • 00:12:18
    sichtbar machen.
  • 00:12:19
    Das haben wir
  • 00:12:20
    gerade gesehen
  • 00:12:21
    Dass sie andererseits aber, und dieses ist mein Fokus,
  • 00:12:25
    auch Gestalter des sozialen sind, indem sie Gulminationspunkte,
  • 00:12:29
    also zentrale Orte von Aushandlungsprozessen,
  • 00:12:31
    sowohl zwischen den Religionen als auch zwischen Religion und Gesellschaft sind.
  • 00:12:37
    Und dabei als Sozialmaterielle Konstellation handlungsorientierende Wirkkraft entfalten können.
  • 00:12:45
    Was ich ja so zeigen möchte, ist, erstens,
  • 00:12:48
    dass religiöse Architekturen nicht nur Ausdruck der Gesellschaft sind,
  • 00:12:52
    sondern auch in die Gesellschaft wirken und dass hierfür zweitens neben sozialen,
  • 00:12:57
    kulturellen,
  • 00:12:57
    diskursiven Prozessen,
  • 00:12:59
    insbesondere ihre Materialität bedeutsam ist
  • 00:13:03
    Damit komme ich zum zweiten empirischen Teil und den drei genannten Raumtypen,
  • 00:13:09
    die ich jeweils daraufhin anschauen werde,
  • 00:13:13
    wie und von wem diese Architekturen geschaffen werden,
  • 00:13:16
    welche Rolle dabei das materielle spielt und welche Wirkungen von ihnen ausgehen.
  • 00:13:27
    Mein erster Fall sind die sogenannten City-Kirchen,
  • 00:13:32
    City-Kirchen sind entstanden in den 1990er Jahren als angesichts
  • 00:13:37
    gesellschaftlicher Veränderungen und insbesondere des Rückgangs der Kirchenmitglieder,
  • 00:13:42
    neue Konzepte,
  • 00:13:44
    jenseits der traditionellen Ortsgemeinde benötigt wurden
  • 00:13:48
    In dieser Situation profilierten sich Innenstadtkirchen in einem zunehmend säkularisierten Stadtkontext als City-Kirchen,
  • 00:13:57
    indem sie sich durch niedrigschwellige Zugänge und Angebote als Orte der Stadt Öffentlichkeit präsentierten.
  • 00:14:06
    Mit dieser Reinszenierung, als öffentliche Räume sind City-Kirchen programmatisch,
  • 00:14:11
    darauf ausgerichtet die Grenze der Organisation Kirche relativ durchlässig werden
  • 00:14:16
    zu lassen und dadurch auch gerade diejenigen zu adressieren,
  • 00:14:20
    die dem kirchlichen Leben ansonsten eher fernstehen.
  • 00:14:24
    Sie wurden damit zum kirchlichen Instrumentarium, um,
  • 00:14:29
    so heißt es, in einem Papier,
  • 00:14:31
    der evangelischen Kirche, um gegen den Trend zu wachsen.
  • 00:14:36
    Die Frage ist, inwieweit funktioniert diese Selbstregulierung durch Profilierung oder empirisch gefragt,
  • 00:14:45
    welche Besucherkreise erreichen City-Kirchen tatsächlich und wie werden sie von diesen wahrgenommen?
  • 00:14:52
    Zwei Studien, die Sie hier sehen, sind hierzu aufschlussreich,
  • 00:14:56
    die auf quantitativen Befragungen von rund 1600 BesucherInnen in vier Stadtkirchen im Ostseeraum,
  • 00:15:03
    beziehungsweise von 6500 BesucherInnen in zwölf City-Kirchen in Deutschland und
  • 00:15:09
    der Schweiz
  • 00:15:18
    Beide Studien zeigen, übereinstimmen zunächst, dass diese Programmatik eine
  • 00:15:23
    größere Öffentlichkeit zu erreichen, auf den ersten Blick zur Gelingenscheid.
  • 00:15:29
    Denn diese Kirchen werden in vielfältiger Weise wahrgenommen als religiöse,
  • 00:15:34
    als geschichtliche, städtische, bauwerkliche,
  • 00:15:36
    atmosphärische Orte wie hier exemplarisch zu sehen aus der ersten Studie,
  • 00:15:41
    wie ebenso als Orte kollektiver Erinnerung und vor allem
  • 00:15:44
    auch als emotionale Orte
  • 00:15:47
    Auffällig ist dabei, dass unterschiedliche Besuchergruppen, Kirchengemeinde,
  • 00:15:51
    Stadtbewohner und Touristen, trotz großer Unterschiede im Nutzungsverhalten der Kirchen,
  • 00:15:57
    offenbar in sehr ähnlicher Weise diese wahrnehmen.
  • 00:16:02
    Dies gilt, selbst für die Touristen, wenn etwa vier,
  • 00:16:05
    fünfte von ihnen angeben, dass die Kirche positive Gefühle in ihnen hervorrufe,
  • 00:16:09
    obwohl sie das Gebäude häufig das erste Mal betreten.
  • 00:16:15
    Man könnte daher meinen, dass diese kollektiven Bedeutungszuschreibungen und Wahrnehmungen über die verschiedenen Besuchsgruppen hinweg,
  • 00:16:23
    vor allem der Wirkkraft des Raumes zuzurechnen sind.
  • 00:16:28
    Das Kirchengebäude also über eine Eigenwirkung, eine allgemeine Verständlichkeit verfügen würde.
  • 00:16:33
    Wie sonst kann es sein, dass City-Kirchen bei fast allen Besucher in ähnliche Reaktionen hervorrufen.
  • 00:16:40
    Diese Annahme trifft allerdings nur begrenzt zu und relativiert sich,
  • 00:16:45
    wenn man sich anschaut, wer die BesucherInnen und insbesondere die Touristinnen sind.
  • 00:16:51
    Denn beide Studien zeigen, ebenso übereinstimmt, dass die unterschiedlichen Besuchsgruppen
  • 00:16:59
    sich zwar in ihrem Nutzungsverhalten und auch hinsichtlich so zu demografischer Merkmale deutlich unterscheiden.
  • 00:17:05
    Gemeinsam ist aber allen drei Besuchsgruppen, wo du auch den Touristen,
  • 00:17:08
    dass sie über eine hohe Religiosität verfügen, vielfach regelmäßig,
  • 00:17:12
    Kirchen besuchen, mit dem Kirchenraum vertraut sind und sich religiös geprägt und orientiert verhalten.
  • 00:17:18
    Auch hierzu exemplarisch aus der zweiten Studie ein Blick auf die
  • 00:17:21
    Touristen, als die weitaus größte Besuchergruppe.
  • 00:17:24
    Zu sehen sind hier die BesucherInnen der zwölf City-Kirchen differenziert nach Religiositätstypen
  • 00:17:31
    Gefragt, wurde hierzu nach der religiösen Praxis,
  • 00:17:34
    zur religiösen Reflexion und Erfahrung, sie wie zur religiösen Prägung und Selbsteinstufung,
  • 00:17:40
    wonach sich sieben Typen unterscheiden lassen. Auf dem einen Pool,
  • 00:17:45
    ganz links, der Anteil der A-Religiösen,
  • 00:17:48
    mit den jeweils niedrigsten Werten bezogen auf die gemessene Religiosität,
  • 00:17:54
    auf dem anderen Pool die religiösen,
  • 00:17:58
    mit der mit in der Regel den höchsten werden und dazwischen in abgestufter Weise die anderen fünf Typen,
  • 00:18:04
    auf die ich jetzt nicht näher eingehe.
  • 00:18:07
    Worauf ich hinaus will, deutlich wird hier einerseits das Spektrum von A-Religiösen
  • 00:18:13
    bis hin zu hochreligiösen BesucherInnen, die von City-Kirchen offenbar angesprochen werden.
  • 00:18:18
    Andererseits ist der Anteil der A-Religiösen mit,
  • 00:18:21
    insgesamt 14 Prozent der Besucherschaft eher gering. Das heißt,
  • 00:18:26
    dass auch mit den Touristen kaum Kirchen distanzierte oder Ferne erreicht werden,
  • 00:18:30
    sondern primär mehr oder weniger stark, aber immer noch religiös geprägte Menschen.
  • 00:18:38
    Dies ist wichtig zu sehen, weil sich die Programmatik
  • 00:18:44
    der City-Kirchen, damit eben auch nur teilweise einlöst.
  • 00:18:49
    Und weil die Erklärung der kollektiven Bedeutungszuschreibung, wie wir sie gesehen haben,
  • 00:18:53
    womöglich weniger auf die Eigenwirkung des Kirchengebäudes zurückzuführen, ist,
  • 00:18:58
    als vielmehr mit dem hohen Grad der Religiosität der Besucherschaft zusammenhängt.
  • 00:19:04
    Dafür spricht auch, dass es einen stabilen Zusammenhang gibt,
  • 00:19:09
    zwischen den Religiositätstypen und der Wirksamkeit des Gebäudes,
  • 00:19:13
    wie man hier sieht und auch erwarten würde,
  • 00:19:15
    schätzen die A-religiösen ganz links zu sehen,
  • 00:19:19
    die Wirkungen des Raumes am geringsten ein,
  • 00:19:22
    die religiösen ganz rechts zu sehen,
  • 00:19:24
    am stärksten
  • 00:19:29
    Daraus kann man schließen, dass Citykirchen erstens in vielfältiger Weise
  • 00:19:34
    wahrgenommen werden und damit wesentlich zur kirchlichen Profilierung beitragen.
  • 00:19:39
    Allerdings weniger dadurch, dass sie neue Kirchen distanzierte Besucherkreise erschließen würden,
  • 00:19:46
    als vielmehr durch die Stabilisierung derer,
  • 00:19:49
    die der Kirche ohnehin verbunden sind. Und zweitens,
  • 00:19:53
    dass hierfür die Reinszenierung des Gebäudes als öffentlicher Raum zentral ist,
  • 00:19:59
    der allerdings nicht aus sich heraus wirkt,
  • 00:20:01
    sondern auf die religiöse Prägung und Resonanz
  • 00:20:03
    der BesucherInnen
  • 00:20:05
    angewiesen ist
  • 00:20:07
    Ich komme zu meinem zweiten empirischen Fall, und zwar
  • 00:20:12
    die Transformation der ehemaligen Caperna-Umkirche in die Al-Nur-Moschee in Hamburg.
  • 00:20:19
    In diesem Fall geht es primär um die Beziehungen zwischen den beiden beteiligten Religionsgemeinschaften,
  • 00:20:26
    die evangelische Kirche und die muslimische Gemeinde,
  • 00:20:28
    aber ebenso um ihre Positionierung und Anerkennung auch in der Gesellschaft.
  • 00:20:34
    Auch hier interessierte wieder die Frage, wie dieser Raum geschaffen wird,
  • 00:20:38
    welchen Anteil daran das Materielle hat und welche Wirkungen davon ausgehen.
  • 00:20:44
    Zum Hintergrund Die Capernaumkirche wurde seit 1901 von einer evangelisch-lutherischen Gemeinde betrieben,
  • 00:20:52
    die wegen Mitglieder-Rückgangsfusionierte und in 2002 aus der Kirche auszog.
  • 00:20:59
    Das Kirchengebäude wurde daraufhin entwidmet und im Jahr 2005 an einen Investorverkauf,
  • 00:21:05
    der darin eine Kindertagesstätte plant, der hier auch nicht realisierte,
  • 00:21:08
    sodass das Gebäude hier rechts zu sehen, Leerstand und über die Jahre hinweg verfiel.
  • 00:21:17
    Die muslimische All-Nor-Gemeinde ist seit 1993 in Hamburg ansässig und untergebracht
  • 00:21:25
    in einer ehemaligen Tiefgarage
  • 00:21:29
    Diese wurde für die wachsende Gemeinde von damals 2.500 Angehörigen zunehmend zu klein.
  • 00:21:36
    Und in 2012 kaufte sie daher die Kapernaumkirche nicht von der Kirche,
  • 00:21:42
    sondern vom Investor, um sie zur Moschee umzuwandeln.
  • 00:21:47
    Für diese, für die Kirche war dies insofern brisant,
  • 00:21:53
    als sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche in ihren Rechtsverordnungen festlegen,
  • 00:21:57
    dass ihre Gebäude prinzipiell bei anderen christlichen oder jüdischen Gemeinden
  • 00:22:01
    übergeben werden können,
  • 00:22:03
    nicht jedoch muslimischen oder anderen
  • 00:22:05
    nicht-christlichen Gemeinschaften
  • 00:22:09
    Entsprechend groß war die Aufregung und es gab unmittelbar nach dem
  • 00:22:13
    Kauf in 2013 heftige Reaktionen der Kirchenverantwortlichen hier nur einige Zitate,
  • 00:22:19
    die Umnutzung in eine Moschee sei ein Missgeschick,
  • 00:22:21
    ein Darmbruch und man hätte die Kirche besser abreißen sollen,
  • 00:22:23
    als eine Nutzung durch Muslime zu ermöglichen.
  • 00:22:27
    Fünf Jahre später bei der Eröffnung der Moscheen 2018 war davon nicht mehr die Rede,
  • 00:22:33
    allerdings auch weniger von einer Moschee als vielmehr von einem,
  • 00:22:37
    ich zitiere interreligiösem Projekt,
  • 00:22:39
    einem leuchtenden Beispiel interreligiöser Offenheit,
  • 00:22:42
    einer Brücke zwischen Christentum und Islam und der interreligiösesten Begegnungsstätte Deutschlands
  • 00:22:49
    Diskurs analytisch kann man also sagen, diese Kirchenmoschee,
  • 00:22:52
    Umnutzung funktionierte oftmals wesentlich über ihre Deutung als interreligiöser Raum.
  • 00:22:59
    Die interessante Frage ist nun, wie kam es dazu?
  • 00:23:03
    Dies lässt sich zurückführen auf vielfältige Faktoren, wie insbesondere darauf,
  • 00:23:07
    dass sich die ehemalige evangelische Kirchengemeinde nicht den anfänglichen Deutung und der Kirchenverantwortlichen anschloss,
  • 00:23:15
    sondern sich hinter dir nur Gemeinde stellte und beide Gemeinden den Umnutzungsprozess gemeinsam gestalteten.
  • 00:23:21
    Neben diesen und weiteren rechtlichen sozialen kontextuellen Faktoren spielte ebenso
  • 00:23:28
    Und dies will ich exemplarisch an drei Punkten zeigen,
  • 00:23:31
    die räumlich materielle Gestaltung, eine entscheidende Rolle.
  • 00:23:36
    So war erstens von zentraler Bedeutung, dass das Äußere
  • 00:23:40
    des Kirchengebäudes weitgehend unverändert blieb, wie hier zu sehen.
  • 00:23:44
    Links noch als Kirche, rechts als Moschee im Entwurf.
  • 00:23:48
    Zwar waren schon faktisch durch den Denkmalschutz nur wenige Änderungen am Gebäude überhaupt möglich,
  • 00:23:56
    deutungswirksam aber wahr, dass dies auch diskursiv geframed wurde,
  • 00:24:00
    indem die Moscheegemeinde erklärte,
  • 00:24:02
    man wolle mit der Umnutzung auch eine denkmalgeschützte Kirche erhalten und
  • 00:24:06
    die Umgestaltung folge daher dem Motto,
  • 00:24:09
    Außenkirche innen Moschee
  • 00:24:12
    Dies erklärte der Vorsitzende der Moschee-Gemeinde in zahlreichen Interviews bezeichnenderweise bereits von Beginn an,
  • 00:24:20
    sodass dies nicht etwa das Ergebnis von Außenhandlungsprozessen war,
  • 00:24:24
    sondern sich hierrin eher die antizipierte Erwartungshaltung gegenüber der Moschee-Gemeinde ausdrückte.
  • 00:24:32
    Dies galt am Ende des Bauprozesses schließlich auch für das Kreuz auf dem Dach des ehemaligen Kirchturms,
  • 00:24:38
    das hier zu sehen, nicht durch einen Halbmond,
  • 00:24:41
    sondern durch den Schriftzug Alar als arabisches Wort für Gott ersetzt wurde,
  • 00:24:46
    da man so erklärte,
  • 00:24:47
    der Vorsitzende,
  • 00:24:48
    Zitat,
  • 00:24:49
    keine Differenzierungssymbole fördern wolle
  • 00:24:54
    Zweitens hat man im Inneren des Gebäudes zum einen christliche Elemente erhalten,
  • 00:24:59
    wie etwa hier in direkter Verlängerung des Geländers zu sehen oder vielleicht zu erahnen,
  • 00:25:04
    ein goldenes Kreuz in den denkmalgeschützten Bundglasfenstern.
  • 00:25:10
    Zum anderen hat man auch verbindende Elemente neu geschaffen,
  • 00:25:14
    wie etwa eine Kalligrafie der Suche Maria aus dem Koran
  • 00:25:18
    als Zeichen ihrer gemeinsamen Verehrung im Islam wie im Christentum.
  • 00:25:23
    Diese Kalligrafie ziert eine Empore hier zu sehen,
  • 00:25:26
    die den Frauen zum Gebet vorbehalten und nach ihren Wünschen gestaltet worden sei,
  • 00:25:32
    so der Vorsitzende, der dies in einem Interview kommentiert,
  • 00:25:34
    Zitat,
  • 00:25:35
    so können die Frauen auf ihre Männer hinabsehen,
  • 00:25:37
    die Männer müssen zu ihren Frauen aufsehen
  • 00:25:41
    Und drittens, materialisiert sich dieser Prozess der Umnutzung wiederum in Formen der Re-Materialisierung,
  • 00:25:49
    mit denen die Deutung als interreligiöser Raum festgeschrieben wird.
  • 00:25:53
    So ist zum Beispiel in Kooperation der Evangelischen Kirche und der Moschee-Gemeinde
  • 00:25:57
    ein Material für den schulischen Religionsunterricht entstanden, hier links zu sehen,
  • 00:26:02
    indem die Umnutzung, so heißt es darin,
  • 00:26:04
    als ein Zitat auf Dialog hin konzipierter Lernort vermittelt wird.
  • 00:26:10
    Ein zweites Beispiel ist eine umfangreiche, multimediale Dokumentation,
  • 00:26:14
    die entstanden ist auf Initiative eines Angehörigen, der All-Nur-Gemeinde,
  • 00:26:20
    der hier für den Auftrag und die Finanzierung von der evangelischen Kirche bekam und in einem Interview erklärt,
  • 00:26:25
    Zitat, gerade dass ein Muslim für die evangelische Kirche ein Projekt realisiert,
  • 00:26:30
    dass eine Kirche zu einer Moschee umgebaut wird,
  • 00:26:32
    ist maximal interreligiös und ein ideales Beispiel für gemeinsames Zusammenleben.
  • 00:26:38
    Beide Dokumentationen erzählen die Geschichte der Umnutzung seit der Entstehung der Capernaumkirche
  • 00:26:44
    und stellen Sie damit in einen historischen Kontext- und Kommunikationszusammenhang auch über die Generationen hinweg.
  • 00:26:51
    Und ein letztes Beispiel bei der Eröffnung der Moschee verleiht schließlich die allen nur Gemeinde,
  • 00:26:57
    jetzt in der Rolle des Gebenden,
  • 00:26:59
    ein hierzu eigens angefertigten Ehrenpreis mit einem eingelassenen Bild, der ein No-Moschee,
  • 00:27:05
    der vom Vorsitzenden ganz rechts an den Staatsrat in der Mitte übergeben wird,
  • 00:27:10
    als so bezeichneter islamischer Bambi,
  • 00:27:13
    worin auch die erreichte Anerkennung und Position zum Ausdruck kommt.
  • 00:27:20
    Deutlich wird, dass die Konstituierung der Kirchenmorscheumnutzung als interreligiöser Raum für beide Religionsgemeinschaften,
  • 00:27:27
    ihre Positionierung im religiösen und im gesellschaftlichen Feld ermöglicht hat.
  • 00:27:32
    So konnte einerseits die evangelische Kirche, die Kirche Moschee,
  • 00:27:35
    Umnutzung gegenüber Mitgliedern und Öffentlichkeit als interreligiöses Projekt legitimieren,
  • 00:27:41
    und hat mit dem Verlust ihrer rechtlichen Ansprüche auf das Gebäude
  • 00:27:45
    nicht auch ihre Deutungsansprüche aufgeben müssen.
  • 00:27:49
    Denn andererseits hat die muslimische Gemeinde diese antizipiert und darauf vielfältig
  • 00:27:55
    und eben auch räumlich materiell reagiert,
  • 00:27:58
    indem sie die religiösen Differenzen in der baulichen Außengestaltung im Kern
  • 00:28:04
    durch die Nicht-Sichtbar-Werdung der Moschee sowie im Innern durch islamisch-christlich verbindende Elemente sowie auch die Adressierung der Geschlechterfrage einzuebnen versucht hat.
  • 00:28:15
    Sie hat sich dadurch selbst als interreligiöser Akteur positionieren und auch
  • 00:28:20
    öffentlich bewähren können und dadurch für die lokale Gemeinde,
  • 00:28:24
    wie auch für die städtische muslimische Gemeinschaft,
  • 00:28:27
    gesellschaftliche Anerkennung gewinnen können
  • 00:28:30
    Ich komme zum dritten Fall,
  • 00:28:34
    in dem der Dialog nun zur zentralen Intention erklärt wird.
  • 00:28:40
    Dem sogenannten House of One in Berlin, mit dem eine Kirche,
  • 00:28:44
    eine Synagoge und eine Moschee unter einem Dach entstehen und damit
  • 00:28:50
    zum interreligiösen und gesellschaftlichen Dialog beitragen soll.
  • 00:28:54
    Zu sehen sind hier links der Entwurf und rechts die drei Initiatoren,
  • 00:29:00
    Vertreter der Beteiligten evangelischen,
  • 00:29:02
    jüdischen und muslimischen Gemeinde
  • 00:29:06
    Mit dem Architekturmodell hier in den Händen auf der Baustelle,
  • 00:29:10
    wo das House of One erst noch gebaut werden soll.
  • 00:29:15
    Anders waren architektonische Ausgrabungen im Jahr 2007 und dabei freigelegte Funde von der Petri-Kirche
  • 00:29:22
    aus dem Jahr 121230 als ältester Ort der Stadt Berlin,
  • 00:29:27
    die mehrmals um- und neu gebaut und 1964 dann von der Ostdeutsch-Regierung abgerissen wurde.
  • 00:29:35
    Genau, an dieser Stelle soll nun mit Grundsteinlegung in 2021
  • 00:29:40
    in den nächsten drei Jahren keine Kirche,
  • 00:29:43
    sondern ein neuer,
  • 00:29:45
    interreligiöser Sakralbau entstehen
  • 00:29:49
    Das ist auch das Besondere an diesem Projekt,
  • 00:29:51
    denn solche Häuser der Religionen entstehen auch in anderen Städten,
  • 00:29:55
    mit dem House of One, soll aber erstmal sein interreligiöser Sakralbau entstehen,
  • 00:30:01
    der als Neukonstruktion eigens dafür geplant und gebaut wird und damit verspricht,
  • 00:30:07
    insbesondere auch durch seine Architektur wirksam zu werden.
  • 00:30:13
    Diese Idee hat auch politisches Interesse gefunden und zur Finanzierung der Baukosten von rund 47 Millionen Euro,
  • 00:30:21
    die zunächst über Spenden erfolgte,
  • 00:30:25
    wurden inzwischen erhebliche staatliche Mittel im Rahmen der Förderung des interridiösen
  • 00:30:28
    Dialogs in Höhe von 20 Millionen Euro vom Bund und weiteren 10 Millionen vom Land Berlin zugesagt,
  • 00:30:35
    womit entsprechend hohe Erwartungen an das Projekt und seine friedensstiftenden Potenziale auch von politischer Seite verbunden werden.
  • 00:30:45
    Was ich im folgenden zeigen möchte, ist,
  • 00:30:49
    dass das House of One, obwohl der Bau erst noch entsteht,
  • 00:30:53
    bereits produktive Diskurse und interreligiöse Imaginationen hervorbringt,
  • 00:30:59
    die einerseits auf soziale Prozesse zurückgehen, also Veranstaltungen,
  • 00:31:06
    Kooperationen und Netzwerke sowie deren Medialisierung, Visualisierung und Zirkulation,
  • 00:31:12
    über die verschiedenen Kommunikationskanäle.
  • 00:31:14
    Für die andererseits, gerade dessen materiellen Repräsentation von zentraler Bedeutung sind.
  • 00:31:21
    Auch hierzu drei exemplarische Punkte. So war es erstens wichtig,
  • 00:31:26
    dass das Projekt von vornherein so angelegt war,
  • 00:31:28
    dass das House of One schon im Entstehungs- und Bauprozess in
  • 00:31:31
    der Stadt wirken sollte und nicht erst nach seiner Fertigstellung.
  • 00:31:34
    Hierzu fand ein langer, gemeinsamer Planungsprozess der drei beteiligten Religionsgemeinschaften statt,
  • 00:31:41
    der sich dann erstmals manifestierte in einem gemeinsamen Auslobungstext für einen
  • 00:31:46
    sogenannten architektonischen Realisierungswettbewerb in
  • 00:31:52
    3,
  • 00:31:53
    4 wurden die Vorstellungen und Erwartungen an den Sakralbau und seiner Architektur,
  • 00:31:58
    das Material, die Archäologie, das Licht, die Technik,
  • 00:32:01
    die Eingänge und so weiter bereits sehr präzise und als Aufgabenstellung für die Architekten formuliert.
  • 00:32:10
    Gewinner dieses Wettbewerbs war der Entwurf eines Berliner Architekturbüros,
  • 00:32:18
    hier zu sehen, der leitende Architekt Wilfried Kühn,
  • 00:32:20
    der seinen Erfolg selbst darauf zurückführte,
  • 00:32:24
    wie er sagte,
  • 00:32:25
    den extrem gut geschriebenen Ausschreibungstext in einen beziehungsreichen Raum übersetzt
  • 00:32:31
    zu haben
  • 00:32:32
    Im Inneren wurden dazu drei getrennte Sakralbereiche für die Religionsgemeinschaften konzipiert,
  • 00:32:38
    mit einem vierten Zentralraum in der Mitte als der wichtigste Raum,
  • 00:32:43
    der, Zitat, nicht mehr den Institutionalisierten Religionen gehört.
  • 00:32:48
    Sondern in die Stadt wirken sollte. Und das Äußere wurde
  • 00:32:54
    als mit einem Fassadendesign verstanden als Ausdruck des Öffentlichen,
  • 00:32:58
    sollte das Verhältnis zur Stadt zum Ausdruck bringen. Während mit diesen Designstrategien,
  • 00:33:04
    das House of One sowohl in seinen baulichen Anordnungen als auch beabsichtigten Wirkungen konstruiert wird,
  • 00:33:11
    lässt sich zweitens zeigen,
  • 00:33:13
    dass insbesondere deren Materialisierung und Sichtbarwerdung in Form von Entwürfen und Zeichnungen auf dem Papier,
  • 00:33:20
    also sowohl ideell wie auch finanziell wirksam beschrieben wird.
  • 00:33:24
    So kühn in einem Interview, ich zitiere,
  • 00:33:28
    sie erzählten mir, gemeinzelt hier die drei Initiatoren,
  • 00:33:33
    dass sie drei Jahre lang an dem Konzept gearbeitet hatten,
  • 00:33:36
    es aber nicht wirklich zusammenbringen konnten.
  • 00:33:39
    Erst als sie die Architektone architektonische Form hatten,
  • 00:33:42
    begann alles einen Sinn zu ergeben.
  • 00:33:46
    Es wurde zu einem Projekt, das man wirklich kommunizieren konnte,
  • 00:33:49
    auch wenn es noch nicht gebaut war und die Mittelbeschaffung
  • 00:33:52
    wurde möglich
  • 00:33:54
    Detektur hat diese unglaubliche Fähigkeit, ein Konzept zu kristallisieren,
  • 00:33:58
    selbst auf dem Papier. Anfangs sagten alle, ja,
  • 00:34:01
    das ist eine schöne Idee. Aber,
  • 00:34:03
    und in dem Moment, in dem wir den Entwurf hatten,
  • 00:34:06
    fiel die Skepsis von uns ab und die Idee begann wirklich substant zu bekommen.
  • 00:34:12
    Während sich die Idee, also zunächst im Aufschreibungstext,
  • 00:34:16
    dann auf dem Papier und im Entwurf materialisierte und sichtbar wurde,
  • 00:34:20
    wurde das Projekt drittens auch greifbar in plastischen Repräsentationen.
  • 00:34:25
    So konzipierte das Berliner Architekturbüro einerseits den Zentralraum des künftigen House
  • 00:34:32
    of One als Holzkonstruktion fast im Maßstab eins zu eins,
  • 00:34:37
    der dann hier zu sehen als Pavillon zunächst im Rahmen des
  • 00:34:41
    Reformationsjubiläums 2017 in Wittenberg aufgebaut wurde und anschließend bis 2019 neben der Baufläche in Berlin als eine Art Labor für Informationen und Veranstaltungen genutzt wurde.
  • 00:34:54
    Während dieser Pavillon noch an den Ort gebunden war,
  • 00:34:59
    wurden andererseits zahlreiche verschiedene Modelle des House of One angefertigt,
  • 00:35:05
    von den Architekten auf internationalen Ausstellungen weltweit gezeigt wurden,
  • 00:35:09
    wie auch von den beteiligten Religionsgemeinschaften lokal in Szene gesetzt wurden
  • 00:35:14
    und durch deren mediale Zirkulation das House of One weltweite
  • 00:35:18
    Präsenz und Imaginationskraft entwickelt hat
  • 00:35:22
    Das House of One hat damit bereits vor Baubeginn Wirkung erzeugt,
  • 00:35:27
    die nicht alleine, aber doch wesentlich auf das architektonische Design und dessen materiellen Repräsentationen zurückzuführen ist.
  • 00:35:34
    Das Projekt hat damit zu Verständigungsprozessen zwischen den religiösen Partnern,
  • 00:35:38
    wie auch zu kritischen Diskursen,
  • 00:35:40
    insbesondere zu Fragen der Nicht-Repräsentation und Beteiligung geführt,
  • 00:35:44
    wie etwa zur Nähe des muslimischen Partners,
  • 00:35:46
    zur umstrittenen Gulenbewegung oder auch zur Nichtbeteiligung der vielen
  • 00:35:51
    anderen Religionsgemeinschaften in der Stadt
  • 00:35:57
    Ich komme damit zu meinem dritten und letzten Punkt und möchte
  • 00:36:03
    abschließend diese drei Fälle noch einmal zusammenfassen und systematisieren,
  • 00:36:06
    im Blick auf die leitende Frage, wie wirken religiöse Architekturen in pluralen Stadtgesellschaften?
  • 00:36:13
    Drei Erkenntnisse scheinen hierbei zentral. Erstens wurde deutlich,
  • 00:36:19
    dass religiöse Architekturen zentrale Orte von Aushandlungsprozessen,
  • 00:36:23
    sowohl Zwischenreligionsgemeinschaften als auch zwischen Religion und Gesellschaft
  • 00:36:28
    sind und damit auch handlungsorientierende Funktionen in pluralen Gesellschaften übernehmen
  • 00:36:36
    Wie es geschieht, das haben die drei Fälle gezeigt,
  • 00:36:40
    in unterschiedlicher Weise, wie es hier spaltenweise noch einmal zusammengefasst ist.
  • 00:36:47
    So stellen Citykirchen eine Form der religiösen Selbstregulierung,
  • 00:36:53
    da in dem mit der Reinszenierung des Kirchengebäudes als öffentlicher Raum,
  • 00:36:58
    eine kirchliche Profilierung in einem zunehmend säkularen Kontext verfolgt wird,
  • 00:37:05
    die sich empirisch eher als Stabilisierung erweist.
  • 00:37:08
    Die Kirchenmuscheeumnutzung führte als eine Form der interreligiösen Regulierung zu einer Positionierung beider Beteiligter Religionsgemeinschaften sowohl zueinander,
  • 00:37:21
    als auch im gesellschaftlichen Feld und über die räumliche Anpassung in
  • 00:37:25
    einem christlich dominierten Kontext zur schrittweisen Anerkennung der muslimischen Gemeinschaft.
  • 00:37:31
    Dasaus of One in Berlin begann,
  • 00:37:34
    als ein interreligiöses Projekt und entwickelte sich mit der politischen Beteiligung
  • 00:37:38
    zu einer Form der staatlich interreligiösen Regulierung zur Toleranzförderung,
  • 00:37:43
    die über das Architektonische Design interreligiöse Imagination in einer zunehmend pluralen Gesellschaft befördert hat.
  • 00:37:52
    Zweitens, wurde deutlich, wie religiöse Architekturen ihre Wirkkraft entfalten.
  • 00:37:58
    Nämlich weder allein als soziale Konstruktion noch materialistisch determiniert,
  • 00:38:04
    sondern als sozialmaterielle Konstellation. Zur Verfügung, City-Kirchen über besondere Raumqualitäten,
  • 00:38:12
    deren Anziehungskraft und Erleben auf eine kulturell religiöse Prägung angewiesen ist.
  • 00:38:17
    Bei der Kirchenmuschee-Umnutzung verbinden sich materiell diskursive Strategien und soziale Praktiken
  • 00:38:24
    zu ihrer Deutung als interreligiöser Raum.
  • 00:38:28
    Und das House of One entsteht bereits vor Baubeginn als
  • 00:38:31
    soziale Konstruktion, die auf dessen materiellen Repräsentationen basiert
  • 00:38:38
    Dies verweist drittens auf die besondere Potentialität, religiöse Architekturen,
  • 00:38:45
    die plurale Gesellschaft, affektiv und dabei auch über Zeithorizonte hinweg erfahrbar zu machen.
  • 00:38:53
    Sogar in Citykirchen, religiöse und kulturelle Zugehörigkeiten und Traditionen vermitteln oder als Erinnerungsorte zumindest wachhalten.
  • 00:39:03
    Andererseits aber auch als fremde Orte der Nicht-Zugehörigkeit empfunden werden. Kirchen-Moschee-Umnutzung können gerade diese Vertrauten,
  • 00:39:13
    für viele vertrauten Traditionen in Frage stellen und dadurch Ängste hervorrufen,
  • 00:39:18
    aber auch als besonders authentischer, pluraler Ort wahrgenommen werden.
  • 00:39:22
    Das House of One verspricht sowohl Religion als auch Zeithorizonte zu verbinden,
  • 00:39:30
    indem es auf der kirchlichen Vergangenheit, auf den kirchlichen Fundamenten
  • 00:39:34
    aufbaut und gleichzeitig eine normative Vision einer pluralen Gesellschaft entwirft.
  • 00:39:42
    Gerade also in ihrer affektiven Dimension zeigt sich damit auch die Ambivalenz religiöser Architekturen,
  • 00:39:51
    die sowohl als Ermöglichungs- wie auch als Ausschlussräume,
  • 00:39:56
    sowohl stabilisierend wie auch Desh stabilisierend auf soziale Ordnungen wirken zu können.
  • 00:40:04
    Damit wird schließlich auch deutlich, dass religiöse Räume nicht Freisinn
  • 00:40:08
    von Macht und hierarchischen Verhältnissen und sich eben nicht isoliert voneinander, sondern in Relation zueinander entwickeln.
  • 00:40:15
    Sie alle sind Ausdruck einer pluralen Welt und fordern als Resonanzräume gleichzeitig dazu auf,
  • 00:40:21
    dass Religion sich zueinander und gegenüber einer zunehmend pluralen Gesellschaft verhalten.
  • 00:40:30
    Damit komme ich zum Ende oder bin ich am Ende,
  • 00:40:33
    Sie finden hier, falls Sie nachlesen wollen,
  • 00:40:36
    einige Publikationsangaben Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe,
  • 00:40:46
    ich konnte Ihnen mit diesem Beitrag einige Einblicke in aktuelle Entwicklung,
  • 00:40:51
    wie auch Herausforderungen geben,
  • 00:40:53
    die wir sicher in den kommenden Veranstaltungen hier weiter vertiefen werden,
  • 00:41:00
    dann mit den Kolleginnen und den Referierenden.
  • 00:41:03
    Ich freue mich sehr darauf. Ich hoffe Sie dann
  • 00:41:06
    in zwei Wochen hier an dieser Stelle wiederzusehen und wünsche Ihnen
  • 00:41:11
    bis dahin eine gute Zeit und danke Ihnen