Arbeitspsychologie online lernen: Interview mit dem MOOC-Professor Heinz Schüpbach

Immerhin mehr als 3.000 Teilnehmer hatte der Arbeitspsychologie-MOOC in der Vergangenheit bereits. Jetzt will der Online-Professor den digitalen Kurs über die Plattform "mooin" noch interaktiver gestalten. Wir sprachen mit dem Dozenten über seinen MOOC.

Edukatico: Herr Prof. Schüpbach, was ist eigentlich gerade an der Arbeit "psychologisch"? Und was ist das Kernthema, mit dem sich die Arbeitspsychologie beschäftigt?

Prof. Schüpbach: Arbeit wird dadurch psychologisch, dass man sie als motivierte, zielgerichtete und produktive menschliche Tätigkeit in einer Arbeitsumgebung betrachtet. Und dem entsprechend, nach definierten psychologischen Kriterien, menschengerecht gestaltet.  

Psychologisch ist auch, Arbeit aus der Perspektive der Arbeitenden zu sehen. Zu verstehen, was für sie Arbeit wichtig und erfüllend oder auch stressig und befremdend macht. Und das Verständnis für diese Perspektive in die Gestaltung der Arbeit und den Arbeitsalltag einzubringen.

Edukatico: Für wen ist Ihr MOOC zur Arbeitspsychologie besonders geeignet? 

Prof. Schüpbach: Mein MOOC ist eine Vorlesung geblieben. Ich biete grundlegende arbeitspsychologische Konzepte und Forschungsergebnisse für Menschen an, die aus einer gewissen verallgemeinernden Distanz ihre Arbeits- und Alltagserfahrungen hinterfragen und in eine fachlich fundierte Vorstellung einbetten möchten. 

Dies beginnt bei so allgemeinen Fragen wie: Was bedeutet eigentlich Arbeit im Leben von Menschen? Arbeite ich, um zu leben oder lebe ich, um zu arbeiten? Was macht meine Arbeit aus und mit mir? Erschöpft und stresst sie mich? Oder stärkt sie mich und vermittelt mir Lebensqualität? Wie funktioniert ein gut organisierter Arbeitsbereich? Eher wie ein Uhrwerk oder eher wie ein lebendiger Organismus? Derartige Grundpositionen beeinflussen ein Arbeitsleben oder ein Arbeitsklima, eine Arbeitskultur in einem Unternehmen fundamental. 

Mein MOOC fasst derartige Fragen in eine klare, dennoch am Alltagserleben orientierte Sprache. Damit kann man sie bewusst reflektieren und - was sehr wichtig ist - mit anderen diskutieren, sich darüber verständigen. Burnout ist für Betroffene selbst oft deshalb so schwierig, weil sie das, was sie erleben, nicht klar fassen können, nicht wissen, wie sie darüber nachdenken und sprechen sollen.

Edukatico: Können die Teilnehmer an Ihrem MOOC neben der wissenschaftlichen Erkenntnis auch Hinweise für die Praxis mitnehmen?

Prof. Schüpbach: Wenn Sie mit "Hinweise für die Praxis" konkrete Ratschläge des Experten für bestimmte Probleme am Arbeitsplatz meinen, dann lautet die Antwort eher nein. Wenn Sie jedoch die Möglichkeit meinen, die Lerninhalte selbst in einem aktiven Transferprozess auf die eigene Praxis zu übertragen und dort umzusetzen, dann ja.

Meine Fragestellungen kommen aus der Praxis und meine Antworten lassen sich natürlich auch wieder auf die Praxis übertragen. Diese Übertragung gehört jedoch zu den Lernleistungen, die man selbst erbringen muss. Dies ist zwar anspruchsvoller, als einem guten Rat zu folgen, dafür auch nachhaltiger.

Edukatico: Stimmt eigentlich das weit verbreitete Vorurteil, dass unter Führungskräften bestimmte psychische Auffälligkeiten überdurchschnittlich oft vorkommen? Der "Chef als Psychopath" etwa?

Prof. Schüpbach: Natürlich prägt die Arbeitstätigkeit Menschen im Verlaufe der Zeit. Und Menschen suchen Aufgaben und Tätigkeiten, die zu ihnen passen. Ein bekanntes Beispiel dafür sind auch Lehrpersonen - man denke an den Lehrer Lämpel bei Wilhelm Busch. 

Dass man sich selbst einen Gefallen damit tut, seine Vorgesetzten hinter vorgehaltener Hand als "Psychopathen" oder als "Nieten in Nadelstreifen" abzuqualifizieren, glaube ich nicht. Zu den Grundsätzen einer aus psychologischer Sicht guten Arbeitskultur gehört, dass man bereit ist, sich offen zu begegnen, offen zu kommunizieren, sich aufeinander einzustellen. Dann kommen solche gegenseitigen Abqualifizierungen eigentlich nicht auf.  

Edukatico: Sie bieten den MOOC bereits seit 2015 an. Was war der Hauptgrund für Sie, Ihre Lehre im modernen MOOC-Format anzubieten? 

Prof. Schüpbach: Mit dem MOOC wollte ich meine Vorlesung öffnen, sie ohne Einschränkung für alle Interessierten zugänglich machen. Aus der Sicht der Hochschule ist natürlich auch interessant, dass ich Teile aus dem MOOC zur Vorbereitung der Studierenden auf meine Vorlesung im Hörsaal einsetzen kann. In der Vorlesung selbst bleibt dann mehr Zeit, um den Stoff zu verarbeiten und zu vertiefen. Wie gesagt: Letztlich geht es mir um Verständnis und um Kompetenzerwerb, nicht um reine Wissensvermittlung. 

Edukatico: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem MOOC-Format bisher gemacht?  

Prof. Schüpbach: Wichtig ist für mich, dass ich überhaupt Erfahrung gemacht habe und nicht nur über MOOC rede. Über 3000 Interessierte haben sich für die erste Durchführung des MOOC angemeldet, über 300 haben mehr als 80% des Stoffs bearbeitet. Dies sind erfahrungsgemäß ermutigende Werte. Aus den Diskussionsforen wissen wir, dass viel Interesse von Teilnehmenden kam, die im Arbeitsalltag - als Führungskräfte, Arbeitende in Teams oder aus sogenannt sozialen Berufen - viel mit Menschen zu tun haben. 

Jetzt versuchen wir, den MOOC interaktiver zu machen. Ich werde mich intensiver in die Diskussionsforen einbringen. Und wir haben mehrere "meet the expert"-Anlässe vorgesehen, in denen die Teilnehmenden ihre Fragen stellen können und ich sie quasi live beantworte. Wir prüfen auch, welche Möglichkeiten es gibt, den Teilnehmenden eine Art Zertifikat auf der Basis eines Lernnachweises auszustellen. Aktuell spielen wir während der Kurse kurze Lernkontrollen in Form von Quiz-Fragen ein. 

Ich bin sicher, dass sich Studien- und Weiterbildungsangebote mit der Entwicklung der digitalen Informations- und Kommunikationstechnik stark verändern werden. Wohin der Zug fahren wird, vermag niemand genau abzuschätzen. Gerade deswegen möchte ich und möchte unsere Hochschule diesen Zug nicht verpassen.

Edukatico: Vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg für den MOOC! 

(Hervorhebungen im Interview durch Edukatico.)

Zur Person

Prof. Dr. Heinz Schüpbach hat sein Psychologiestudium in Bern (Schweiz) absolviert, dann einige Jahre in der Forschung an der ETH Zürich gearbeitet. 1995 wurde er als Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an die Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i.Br. berufen. Dort hat er viele Hundert Studierende in Arbeits- und Organisationspsychologie unterrichtet und ihnen Einblicke in die Arbeitswelt gewährt. Seit 2009 ist Heinz Schüpbach Direktor der Hochschule für Angewandte Psychologie der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten (Schweiz). Zudem ist er weiterhin als Dozent für Arbeitspsychologie tätig.

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